Wo bleibt die Güte Gottes in der Katastrophe?

Der Mensch ist für die Freude geschaffen, warum dann das Leid? – Nie wird diese Frage drängender gestellt, als im Augenblick von großer Not, bei allgemeinen oder persönlichen Katastrophen.
Und so wurde auch nach dem Erdbeben in Japan immer wieder gefragt: Wie kann das Leid mit der Güte Gottes vereinbart werden, kommt dieses Leid von Gott, ist Gott nicht allmächtig, warum kam so plötzlich Leid und Tod über einen Teil der Menschheit?
Seit Menschengedenken haben sich diese Fragen gestellt, wurden Antworten gesucht. Auch heute. Die Antwort, die meint, Gott habe sich von der Erde zurückgezogen und sie nun ihren eigenen Gesetzen überlassen, deswegen sei nicht mehr Er, sondern andere Mächte und Kräfte verantwortlich, kann letztlich nicht überzeugen. Denn dann müsste man weiter fragen: Warum hat Er Seine Schöpfung einfach sich selbst überlassen?
Andere teilen die Wirklichkeit einfach in eine gute und eine böse und meinen, beide lägen eben unausgesetzt im Kampf miteinander. Die Welt sei Teil des Reiches des Bösen und bringe deswegen für den Menschen immer wieder Unheil und Not, Gott könne da nichts machen.
Solche Erklärungsversuche müssen scheitern und gehen an der Wirklichkeit vorbei. Denn wenn Gott allmächtig ist, könnte Er das Übel und das Böse verhindern, dann dürfte Er doch Seine Schöpfung nicht fremden Gewalten überlassen! Und wenn es zwei verschiedene Mächte gibt, von denen keine Macht die andere besiegen oder beherrschen könnte, dann sind beide einem noch höheren Gesetz unterworfen, dann ist keine von diesen Mächten wirklich Gott, sondern von einer noch höheren Gewalt abhängig.
Letztlich überzeugt nur die christliche Antwort: Gott hat die Welt gut und vollkommen erschaffen. Das Böse und das Übel sind nicht in Ihm, es kann daher auch nicht von Ihm stammen. Das Böse stammt allein aus der freien Entscheidung der Geschöpfe.
Mit dem Bösen kommt natürlich auch das Übel, die Not, der Schmerz, die Unvollkommenheit in die Welt. Vieles davon ist erkennbar eine Folge des moralischen Übels, der Sünde. Aber gibt es nicht auch viel Not, Leid, Unglück, das nicht direkt mit der Sünde zusammenhängt?
Die Heilige Schrift betont die ursprüngliche Güte der Schöpfung und erklärt im Schöpfungsbericht, dass der Mensch auf Grund der Sünde aus dem Paradies vertrieben wurde. Gott hat Seine Hand gleichsam ein wenig zurückgezogen, damit der Mensch ein Stück weit die Ohnmacht und das Chaos erfahre, das ohne die schützende und liebende Hand Gottes alles bedroht. Die ganze Schöpfung zeigt sich nun in einer gewissen Gottferne. Selbst die Tierwelt, die nach dem Schöpfungsbericht noch keine Raubtiere kannte (vgl. Gen. 1, 30), ist durch die Abkehr des Menschen von Gott in Unordnung geraten und hat wie die ganze Natur auch eine bedrohliche Seite angenommen.
Nach der Heiligen Schrift gibt es aber keine vollkommene Abwesenheit Gottes. Er lässt Sein Geschöpf nicht vollkommen auf sich allein gestellt. Schon beim Verweis aus dem Paradies wird zwar der nun beginnende und andauernde Kampf mit der Schlange (mit dem Bösen) angekündigt, aber es erscheint schon eine gewisse Zusage Gottes, dass das Weib - oder in einer anderen Lesart ihr Spross - der Schlange den Kopf zertreten werde (Gen. 3,15), was schon in den ersten christlichen Jahrhunderten christologisch-marianisch gedeutet wurde (Justinos, Eirenaios, Cyprianus, Epiphanios, Prudentius, Leo d.Gr….). Hier begegnet uns auf den ersten Seiten der Heiligen Schrift ein noch verborgenes erstes Aufleuchten einer Frohbotschaft, die bereits hineinstrahlt in all die Trostlosigkeit, in der sich der Mensch in der Sünde noch befindet!
Das Übel erscheint nach biblisch-christlichem Verständnis also als Strafe und Folge der Abkehr von Gott, der es in der von Ihm ursprünglich gut und vollkommenen Schöpfung nur zulässt, soweit es in der nun durch die Sünde entstellten Welt auch eine Rolle in Seinem Plan erhalten hat.
Gott ist aber nicht durch das Böse überwältigt, Er lässt ihm – und damit auch allem anderen Übel – einen gewissen Raum um der Freiheit des Menschen willen. Es ist für die gefallene Natur des Menschen teils Strafe, teils Prüfung und Mittel zur Bewährung.
Gott wirkt so aus dem an sich Negativen noch etwas Positives. Das Böse verliert damit zwar nicht seinen zerstörerischen und bedrohlichen Charakter für das Leben der Menschen an sich, aber es ist nicht wie eine gleichgestellte oder gleichwertige Macht neben Gott!
Wie weit Gott die Freiheit Seiner Geschöpfe respektiert und wie weit Er deshalb das Böse sich entfalten lässt, zeigt Er uns in erschütternder Weise im Tod Seines Sohnes Jesus Christus am Kreuz! Gott selbst setzt sich hier aller nur denkbaren Bosheit und allen Sündenstrafen aus, die nur vorstellbar sind.
Er lässt das Böse scheinbar triumphieren, ja Jesus wurde gleichsam „für uns zum Träger der Sünde gemacht, damit uns durch Ihn Gottes Gerechtigkeit zuteil werde“ (2Kor. 5,21). In diesem Sich-Ausliefern an die Bosheit der Menschen hat Jesus Christus und damit die Liebe über den Hass und alles Böse gesiegt, hat das Licht die Finsternis, die sich scheinbar unüberwindlich über die Schöpfung gelegt hatte, mit Seinem Glanz durchstrahlt und damit vernichtet! Selbst der scheinbar größte Triumph des Bösen wurde von Gottes Weisheit so in den höchsten Triumph der Liebe verwandelt!
Im Tod Jesu hat sich gezeigt, dass Gott Not und Leid zwar zulässt, aber nur gemäß Seiner allmächtigen und allgütigen Weisheit, die sich uns als alles überragende Liebe offenbart! Die Weisheit Gottes übersteigt zwar menschliches Begreifen, aber wir können erkennen, dass selbst der größte Schmerz noch ein Gnadenmittel Gottes sein kann, wenn er in rechter Weise ertragen wird!
Es stimmt also nicht, wie manche meinen, Gott sei nicht allgütig, wenn Er Übel und Leid zulässt, oder nicht allmächtig, falls Er es nicht verhindern kann.
Gottes Weisheit ist viel größer als alles menschliche Urteil. Das Leid hindert nicht an sich das Gute, im Gegenteil: Es kann es sogar noch besser hervortreten lassen! Die Liebe zeigt sich in ihrer höchsten und vollkommensten Weise in der Prüfung. In diesem Sinn können wir Christus nachfolgen und mit Ihm unser Kreuz tragen, gleichsam in Seiner Gnade an unserem Leib ergänzend, was am Leidensmaße Christi für Seinen Leib, die Kirche, noch fehlt (vgl. Kol.1, 24-27).
Die Zulassung von Übel ist also nur bei recht oberflächlicher, nicht sachgerechter, Betrachtung ein Widerspruch zu Gottes Liebe, die den Menschen selbst in der Sünde noch nachgeht und sie zur Umkehr ruft!
Natürlich: Jedes Leid und jeder Schmerz erscheinen zunächst widersinnig und unannehmbar. Auch der Christ weiß nicht immer, warum er leiden muss oder weshalb ihm Gott gerade dieses oder jenes Kreuz geschickt hat. Aber er weiß, dass es nicht eine blinde oder allmächtige böse Macht ist, der er unheilvoll ausgeliefert ist, sondern dass alles durch die liebende Zulassung der Hand Gottes gesandt ist, der er sich in Liebe anvertrauen darf, und dass er sich auch mit all seinen Bitten an diese Weisheit Gottes um Hilfe wenden darf!
Auch Heiden mögen erahnen können, dass hinter allem Schmerz und Leid ein tieferer Sinn liegen mag. Doch ohne die Liebe Christi, die sich uns geoffenbart hat, bleibt die Schöpfung sehr dunkel. Deshalb erkennen wir besonders im Augenblick der Not, dass wir das Evangelium von der Liebe Gottes nicht allein für uns behalten können und dürfen!
Das Leid ruft uns zur Liebe und zur Hilfeleistung, seelisch wie leiblich! Jedes Kreuz kann so zum Wegweiser auf die Erlösung in Christus hin werden! Seit Jesu Sieg am Kreuz wissen wir, wie wertvoll es sein kann, mit Ihm zu leiden. Wir sind nicht mehr auf uns allein gestellt, wir brauchen Ihm auf dem Kreuzweg der Liebe nur zu folgen.
Gott hat alles in Seiner Hand, unser Leben und unseren Tod. Er weiß allein, wann Er uns ruft und wozu Er uns ruft. Auch Katastrophen lässt Gott zu, wofür - das können wir nicht im Einzelnen beantworten, aber wir können sie als Zulassung Seiner Liebe, ja sogar als Gnade in der liebenden Nachfolge Christi annehmen, bis Er uns eines Tages - vielleicht auch erst am Ende unseres Lebens - größere Einsicht in den Grund Seiner Pläne verleiht!
Bis dahin bleiben für uns Glaube, Hoffnung und Liebe. Und das Gebet - um Hilfe, um Kraft, um ein besseres Verständnis und vor allem um das Licht der Liebe Christi, welche jede Not auch schon hier auf Erden voll Gnade macht! Möge jedes Kreuz, das uns trifft, in der Nachfolge Christi ein Ansporn zu Taten der Liebe und damit zur Gnade werden!
Möge Maria und mögen alle Engel und Heiligen uns helfen, die Not anderer zu lindern, mögen sie mit uns gehen, um auch denen, welche die Liebe Christi noch nicht erkannt haben, die Fülle der Gnade Gottes zu erschließen und mögen sie uns durch ihre Fürbitten beistehen, damit wir auch selbst alles Leid gnadenbringend annehmen und ertragen können!

Thomas Ehrenberger

 

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